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Nie ganz oben und trotzdem erfolgreich
Der SC Langenthal ist ein Phänomen. Der Eishockeyklub hat sich in seiner 75-jährigen Vereinsgeschichte zum sportlichen Aushängeschild mit grosser Strahlkraft weit über die Region hinaus entwickelt, obwohl der Klub bislang nie in der höchsten Schweizer Spielklasse vertreten war. Drei Schweizermeistertitel in der zweithöchsten Liga machen den SCL dennoch zu einem der angesehensten Eishockeyklubs des Landes.
Von Walter Ryser
Von Sportklubs geht in der heutigen Zeit eine grosse Anziehungs- und Strahlkraft aus. Vereine, die über viele Jahre hinweg auf höchster Ebene spielen und Erfolge aufzuweisen haben, verfügen über eine grosse Fangemeinde und haben in ihrer Stadt oder Region auch einen entsprechend hohen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Stellenwert. Ein Klub, der nie in der höchsten Spielklasse eines Landes vertreten war, hat es ungleich schwerer, sich einen solchen Status zu erarbeiten. Ausnahmen bestätigen die Regel, heisst ein bekanntes Sprichwort.
Der SC Langenthal ist eine solche Ausnahme. Der Eishockeyklub feiert in diesem Monat seinen 75. Geburtstag. Im Verlaufe seiner Vereinsgeschichte hat sich der SCL zum sportlichen Aushängeschild einer ganzen Region (Oberaargau) entwickelt, das über eine beachtliche Fangemeinde verfüg. Und der gesellschaftliche und wirtschaftliche Stellenwert des Klubs in der Stadt und der ganzen Region ist mittlerweile erstaunlich gross. Dabei hat der SCL in seiner ganzen 75-jährigen Vereinsgeschichte noch nie in der höchsten Schweizer Eishockeyliga gespielt und kann demzufolge auch keinen Titelgewinn auf höchster Stufe aufweisen.
Gegen die "Grossen" behauptet
Der Klub verfügt dennoch über eine ähnliche Anziehungs- und Strahlkraft wie einige Eishockeyklubs in der National League. Begründet liegt dieses Phänomen wohl darin, dass sich der "kleine" Klub aus einer Randregion im Kanton Bern seit 75 Jahren regelmässig mit zum Teil bravourösen und aufsehenerregenden Leistungen erfolgreich gegen die "Grossen" des Schweizer Eishockeys behauptet, was dem Klub im Laufe der Jahre zu grossem Ansehen, Respekt und Wertschätzung in der hiesigen Eishockey-Szene verhalf.
Ihren Anfang nahmen die "heldenhaften" Langenthaler Eishockey-Auftritte bereits im Gründungsjahr 1946, als der neue Verein auf dem Eisfeld beim heutigen Schwimmbad den grossen SC Bern, mit seinem Internationalen Gian Bazzi, zu einem Testspiel empfing, das völlig überraschend 7:7 unentschieden endete. Bereits neun Jahre nach der Gründung wurde der SC Langenthal erstmals Schweizermeister der Serie B.
10:0-Finalsieg über Lugano
Zehn Jahre später folgte ein weiterer denkwürdiger Höhepunkt in der Vereinsgeschichte, als der SC Langenthal die Saison 1963/64 verlustpunktlos abschloss und sich in den Aufstiegsspielen gegen Tramelan und Martigny durchsetzte und so den erstmaligen Aufstieg in der Nationalliga B realisierte. Die Krönung dieser eindrücklichen Spielzeit folgte aber noch im Finalspiel um den 1.-Liga-Schweizermeistertitel, als die Langenthaler einen denkwürdigen Sieg errangen und das grosse Lugano auf dessen Eis gleich mit 10:0 besiegten. Bei den Tessinern hütete damals mit Alfio Molina eine Schweizer Torhüter-Legende das Tor. Während dieser Zeit spielte der SC Langenthal bereits auf der neuen Kunsteisbahn in Schoren, die 1961 in Betrieb genommen wurde.
Erneut zehn Jahre später folgte der nächste grosse Triumph, als der SC Langenthal in der Saison 1973/74 zum zweiten Mal in die NLB aufstieg, nachdem die Oberaargauer beim ersten Mal fünf Spielzeiten in der zweithöchsten Spielklasse absolvierten. Beim zweiten Gastspiel sollten es dann sogar elf Jahre sein, die der SCL insgesamt in der NLB spielte. Es war die Zeit der grossen, unvergesslichen Spiele, gegen Olten, Bern, den ZSC, Arosa, Davos und Lugano. Es war auch die Zeit der Rekordspiele, beispielsweise in Olten vor über 9000 Zuschauern (1983) oder in Bern (1984) als der kleine SCL erstmals den grossen SCB auf dessen Eis besiegte (4:3) und damit für landesweite Schlagzeilen sorgte. Und es war die Zeit der beachtlichen Triumphe über das SCB-Starensemble, das in der Saison 1983/84 von den Langenthalern nicht bloss im Allmendstadion zerzaust wurde, sondern auch zweimal mit je 7:2 in Schoren, nachdem man den SCB bereits im Jahr zuvor im letzten Meisterschaftsspiel in Schoren mit 4:2 besiegt hatte und damit im allerletzten Moment den NLB-Ligaerhalt sicherte und dem SCB den NLA-Aufstieg vermieste.
Drei Meistertitel in der NLB/Swiss League
Nach der Reduktion der NLB auf zehn Teams in der Saison 1984/85 fand der kleine Eishockeyklub aus dem Oberaargau keinen Platz mehr in der zweithöchsten Schweizer Spielklasse. Es folgten 17 Jahre in der 1. Liga. Doch selbst in den Niederungen des Amateursports schaffte es der SC Langenthal ins nationale Rampenlicht, als er 1993 in der 1. Liga vor 4102 Zuschauern in der Eishalle Schoren zum ersten Mal in der Vereinsgeschichte den haushohen Favoriten SC Langnau in einem Meisterschaftsspiel besiegte (8:5).
Im Jahr 2002 wurde der SC Langenthal nach einer überragenden Saison und ohne Niederlage in den Finalspielen gegen Star Lausanne und Winterthur erstmals offizieller Schweizer Amateurmeister. Gleichzeitig schaffte der Verein zum dritten Mal den Aufstieg in die Nationalliga B. Und mit diesem dritten Abstecher in die zweithöchste Schweizer Spielklasse setzte ein kaum für möglich gehaltener Aufstieg ein. Der SC Langenthal entwickelte sich nicht nur sportlich, sondern auch organisatorisch und wirtschaftlich zu einem Vorzeigeklub in dieser Liga, der mittlerweile zu den unbestrittenen Spitzenklubs in dieser Spielklasse zählt. 2012, 2017 und 2019 feierte der SC Langenthal drei Schweizermeistertitel. Zwei davon errang der SCL als krasser Aussenseiter gegen Lausanne (2012, 4:2-Finalsieg) und die Rapperswil Jona-Lakers (2017, 4:3-Finalsieg), den dritten Titelgewinn sicherten sich die Oberaargauer vor zwei Jahren gegen La Chaux-de-Fonds mit einer 4:0-Finalserie. Dreimal stand der SC Langenthal in einem Playoff-Final der zweithöchsten Spielklasse, dreimal gewann er ihn. Es sind genau diese Momente, die dem SC Langenthal ein aussergewöhnliches Renommee verschafften, obwohl dieser Klub noch nie in der National League spielte…
Feste soll man feiern, wie sie fallen, lautet ein bekanntes Sprichwort. Doch die anhaltende Corona-Pandemie verunmöglicht dieses Vorhaben, weshalb das SCL-Jubiläumsjahr vorerst hauptsächlich digital stattfindet, mit Video-Gratulationsbotschaften oder mit der Lancierung einer Jubiläumsaktie, deren Erlös nebst dem Swiss-League-Team auch dem Nachwuchs und dem Damen-Team zugutekommt. Mit diesen Aktionen will man die Bevölkerung trotz den aktuell schwierigen Umständen auf das Jubiläum aufmerksam machen. Später soll dann die gesamte SCL-Community und die Bevölkerung einbezogen werden. So ist beispielsweise geplant, einen SCL-Schal zu stricken. Nach dem Motto: "Alle machen mit" soll ein Schal von exakt 1946 Metern (Gründungsjahr SCL) entstehen. Ein Jubiläumsspiel sowie diverse Festivitäten sind ebenfalls Bestandteil des Jubiläumsjahres, das sich aufgrund der Corona-Pandemie bis ins nächste Jahr hinein ausdehnen dürfte.
Bildlegende: 75 Jahre SC Langenthal, mit vielen denkwürdigen Momenten. (Fotos: zvg)